Nach dem Tod des Vater 1896 diente sie in Landshut. Dort erfuhr sie im Juni 1898 den entscheidenden Anruf Jesu: sie werde bald schon viel und lange leiden. Obwohl in ihrer kindlichen Seele eine große Bereitschaft zur Ganzhingabe vorhanden war – Anna hatte sich im selben Jahr Maria geweiht -, reagiert sie zunächst wie jeder gesunde Mensch mit Erschrecken und Flucht. Sie fand im Forsthaus zu Stammham eine neue Stelle. Am 4. Februar 1901 begann hier in der Waschküche ihre Leidenszeit. Da sich das Ofenrohr über dem Wasserkessel von der Wand gelöst hatte, versuchte sie, den Schaden zu beheben. Dabei glitt sie aus und rutschte mit beiden Beinen bis über die Knie in den Kessel mit kochender Lauge.
Weder im Krankenhaus Kösching, wohin man sie gebracht hatte, noch in der Klinik in Erlangen gelang es, die Wunden zu heilen. Als man sie als Frühinvalide im Mai 1902 entließ, verschlimmerte sich ihr Zustand immer mehr, so dass sie bald das Krankenlager nicht mehr verlassen konnte. Zu dem schweren Siechtum gesellte sich auch bittere Armut. Zusammen mit ihrer Mutter musste sie mit Rücksicht auf die Familie des Bruders das kleine Elternhaus verlassen, eine Stube mieten und mit monatlich 9 RM Invalidenrente das Auskommen finden. Nach zunächst vergeblichem Aufbäumen, lernte Anna in der harten Schule des Leidens den Willen Gottes erkennen und immer freudiger bejahte sie ihn. In Siechtum und Armut sah das Mädchen einen liebevollen Ruf des Gekreuzigten, ihre Lebensaufgabe und Erfüllung. Sie fasste den Entschluss, ihr Leben und Leiden Gott als Sühneopfer darzubringen und entwickelte einen erstaunlichen Gebets-, Buß- und Sühneeifer. Der Ortspfarrer Karl Rieger war ihr ein guter Seelenführer und brachte ihr täglich die hl. Kommunion. Selbstverständlich leistete er ihr, wie auch andere im Dorf, materielle Hilfe.
Im Herbst 1910 ereigneten sich außerordentliche Dinge. In Visionen – Anna bezeichnete sie als Träume – sah sie zuerst den hl. Franziskus, dann den Heiland, der ihr Sühneopfer anzunehmen bereit war. Seither trug sie, nur wenigen Menschen bekannt, die Wundmale Christi. Fortan erstarkte Anna im Dienst des Apostolatsgedankens. Sie versprach ihr Fürbittgebet, tröstete in Wort und Schrift diejenigen, die sich an sie wandten. Nicht nur aus ihrer Heimat, sondern auch aus Österreich, der Schweiz und sogar aus Amerika kamen Bittbriefe.
Ab dem Markustag 1923, an dem Anna in einer Ekstase das Karfreitags-Geschehen miterleben durfte, verschlechterte sich zusehends ihr Zustand. Völlige Lähmung der Beine (spastische Lähmung), furchtbare Krämpfe als Folge eines Rückenmarksleidens und Mastdarmkrebs stellten sich ein. Fünf Wochen vor ihrem Heimgang zog sich die Dulderin durch einen Sturz aus dem Bett noch eine Gehirnverletzung zu, die das Sprechvermögen und das Augenlicht beeinträchtigte. Ihre Leiden waren in den letzten Lebensjahren so qualvoll, dass sich alle wunderten, dass ein Mensch so furchtbare, fast unglaubliche körperliche Qualen ertragen könne.
Am Morgen des 5. Oktober 1925 empfing die Sterbende zum letzten Mal die Heilige Kommunion, die Kraftquelle ihrer 25-jährigen Leidenszeit. Kurz vor ihrem Hinscheiden machte sie noch einmal ein Kreuzzeichen und betete: „Jesus, dir leb´ ich!“ – Ihre Beerdigung am 8. Oktober 1925, an der viele Menschen teilnahmen, gestaltete sich zu einem viel beachteten Ereignis. Pfarrer Rieger beschränkte sich bei der Leichenrede auf die vielen Gnadenerweise dieses Dulderlebens und deutete an, dass die Gnade Gottes an der Heimgegangenen groß war.
Seit dem Tod Annas ist ihr Grab das Ziel vieler Menschen, die sie um Fürbitte in ihren Nöten anrufen, ihr für erwiesene Hilfe danken und vor allem um ihre Seligsprechung beten. Bisher wurden über 14 000 Gebetserhörungen verzeichnet. Auf vielfachen Wunsch des gläubigen Volkes gab Bischof Dr. Rudolf Graber von Regensburg die Genehmigung, am 26. Juli 1972 die Gebeine der Dienerin Gottes vom Friedhof in die Pfarrkirche Mindelstetten zu übertragen und den Seligsprechungsprozess zu eröffnen. Seither kommen am Anna-Tag (26. Juli), der immer als großer Gebets- und Sühnetag gehalten wird, Tausende von Menschen nach Mindelstetten. Nachdem die zuständigen Kommissionen der Kongregation für Heiligsprechungen eindeutig das heroische Maß der Tugenden festgestellt hatten, verlieh Papst Johannes Paul II. am 11. Juli 1995 Anna Schäffer den heroischen Tugendgrad. Das für die Seligsprechung notwendige Wunder wurde am 3. Juli 1998 vom Heiligen Vater anerkannt. Am 7. März 1999 wurde Anna Schäffer von Papst Johannes Paul II. in die Schar der Seligen aufgenommen.
Ihre Bedeutung
Die „Schreiner Nandl von Mindelstetten“, wie Anna Schäffer vom Volk liebevoll genannt wird, wurde von Gott herausgehoben als ein leuchtendes Zeichen seiner Liebe. Sie gehört zu jenen, die gegenüber allem Mittelmäßigen ernst gemacht haben mit der Verwirklichung der Nachfolge Christi bis unter das Kreuz der Leiden. Sie gab ein Beispiel, das Augenmerk weniger auf das irdische Wohl als vielmehr auf das ewige Heil (vgl. Hebr 13, 14 u. 11, 10) zu richten, das Apostolat der Tat harmonisch mit dem des Betens, Opferns und Leidens zu verbinden und in stiller Verborgenheit Sühne zu leisten aus Liebe zu Gott und in verantwortlicher Liebe für das Seelenheil des Nächsten. Anna Schäffer erfasste, was der hl. Johannes schreibt: Christus „ist die Versöhnung für unsere Sünden“ (1 Joh 2,2) und sie machte sich das Wort des hl. Paulus eigen: „Ich freue mich der Leiden für euch und will an meinem Fleisch ergänzen, was an den Drangsalen Christi noch aussteht, zugunsten seines Leibes, der die Kirche ist“ (Kol 1,24). Die Dienerin Gottes hat die Sühne als christliche Pflicht empfunden und als Vermächtnis folgendes Gebet, das an die Botschaft von Fatima erinnert, hinterlassen: „Heiligstes Herz Jesu, schenk mir recht viele Seelen, besonders jene, die sich vor Verzweiflung kaum mehr helfen könne; jene, die dem Abgrund nahe sind und der Gnade am meisten bedürfen. Heiligstes Herz Jesu, vermehre meine Leiden und schenk mir dafür Seelen, die ich für dich retten kann! Heilige Schmerzensmutter, verleihe mir stets einen brennenden Durst, am Heil der unsterblichen Seelen zu arbeiten, für sie zu beten und zu leiden!“ Inmitten ihres Leidens ist uns die selige Anna Schäffer aber auch eine Wegweiserin zum Sakrament der heiligsten Eucharistie.
Wie berichtet, empfing sie täglich aus der Hand ihres Ortspfarrers den Leib des Herrn unter der Gestalt der verwandelten Hostie. Allein aus der Kraft dieser göttlichen Speise ertrug sie ihr schweres Leiden und Schicksal gläubig und gottergeben. In ihrem letzten Brief bekennt sie: „Meine größte Stärke ist die heilige Kommunion“. Für sie galt trotz Armut, Leiden und Siechtum nach ihren eigenen Worten: „Die Sonne meines Lebens ist Jesus im heiligsten Sakrament“. Darin besteht ihre Größe und ihre weitreichende Bedeutung auch für Menschen des dritten Jahrtausends, an dessen Schwelle der Kirche ihre Seligsprechung von Gott geschenkt wurde.