der Große für die Gestaltwerdung des Kontinentes geleistet hat, besteht in der
großartigen Synthese zwischen der Kultur der klassischen, vorwiegend römischen
Antike und den Kulturen der germanischen und keltischen Völker.
Diese Synthese
hat ihre Grundlage im Evangelium Jesu Christi. Denn Europas Einheit wurde nicht
vom geographischen Standpunkt aus umschrieben. Nur durch die Annahme des
christlichen Glaubens wurde Europa ein Kontinent. Diesem Kontinent gelang es
über Jahrhunderte hinweg, seine Werte in fast alle Teile der Welt auszubreiten
und so dem Wohl der Menschheit zu dienen. Gleichzeitig darf man nicht
vergessen, daß auch die Ideologien, die im Laufe des 20. Jahrhunderts Ströme
von Blut und Tränen auslösten, von einem Europa ausgegangen sind, das seine
christlichen Wurzeln vergessen wollte.
Union auf sich nahm, um eine „Charta der Grundrechte“
festzuschreiben, stellt einen Versuch dar, an der Schwelle des dritten
Jahrtausends eine neue Synthese der Grundwerte zu schaffen, an denen sich das
Zusammenleben der Völker Europas ausrichten muß. Die Kirche hat die Entstehung
dieses Dokuments mit lebendiger Aufmerksamkeit verfolgt. Ich kann meine
Enttäuschung darüber nicht verhehlen, daß man in den Wortlaut der Charta nicht
einmal einen Bezug auf Gott eingefügt hat. Doch in Gott liegt der höchste Quell
der Würde der menschlichen Person und ihrer grundlegenden Rechte.
die Ablehnung Gottes und seiner Gebote im vergangenen Jahrhundert zur Tyrannei
der Götzen geführt hat. Eine Rasse, eine Klasse, der Staat, die Nation, die
Partei wurden verherrlicht und traten an die Stelle des wahren und lebendigen
Gottes. Aus den unglücklichen Ereignissen, die über das zwanzigste Jahrhundert
hereinbrachen, kann man schließen: Die Rechte Gottes und des Menschen stehen
oder fallen gemeinsam.
Anstrengungen hat der erarbeitete Text der „europäischen Charta“
nicht das gebracht, was viele zu Recht erwartet hatten. Der Schutz der Rechte
der Person und der Familie hätte mutiger ausfallen können. Mehr als berechtigt
ist daher die Besorgnis, was den Schutz dieser Rechte anbelangt, die nicht
immer in gebührender Weise verstanden und geachtet werden. In vielen
europäischen Staaten sind sie bedroht, etwa durch eine Politik zugunsten der
Abtreibung, die fast überall legalisiert ist. Weitere Bedrohungen liegen in
einer Haltung, die die Euthanasie immer mehr als Möglichkeit sieht, sowie
neuerdings in bestimmten Gesetzentwürfen zur Gentechnologie, die den Embryo
nicht genügend als Menschen achten. Es genügt nicht, die Würde der Person mit
großen Worten zu beschwören, wenn man sie dann in den Vorschriften der
juristischen Ordnung schwer verletzt.
Geschichte, Kaiser Karl der Große, ruft die christlichen Ursprünge Europas neu
in Erinnerung. Wer auf diese Gestalt schaut, wird in eine Epoche geführt, die –
trotz der menschlichen Grenzen, die es immer gibt – eine beeindruckende
kulturelle Blüte auf fast allen Erfahrungsfeldern auszeichnet. Auf der Suche
nach seiner Identität darf Europa nicht darauf verzichten, mit aller Kraft das
kulturelle Erbe zurückzugewinnen, das von Karl dem Großen hinterlassen und mehr
als ein Jahrtausend lang bewahrt wurde. Die Erziehung im Geist des christlichen
Humanismus garantiert jene geistige und moralische Bildung, die die Jugend
anleitet und ihr hilft, die ernsten Probleme anzugehen, die sich durch den
wissenschaftlich-technischen Fortschritt stellen. Auch das Studium der alten
Sprachen an den Schulen kann dabei eine wertvolle Hilfe sein, um die jungen
Generationen in die Kenntnis eines kulturellen Erbes einzuführen, das einen
unschätzbaren Reichtum birgt.
Kaiserkrönung Karls des Großen, am 14. Dezember 2000, von Papst Johannes Paul
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