Der heilige Judas Thaddäus war ein Apostel und Verwandter Jesu Christi; er war nämlich der Sohn des Alphäus oder Kleophas; letzterer war ein Bruder des heiligen Joseph, des Nährvaters Jesu Christi, und ein sehr treuer Jünger des Herrn, einer von den zweien, denen unser Herr und Heiland nach seiner Auferstehung auf dem Wege von Jerusalem nach Emmaus erschienen ist und die Schrift erklärte. Kleophas wurde später wegen seines offenen und freien Bekenntnisses der Auferstehung Christi von den Juden ermordet und hat somit die Martyrerkrone erhalten. Die Mutter unseres Apostels hieß Maria Kleophä und wird im Evangelium eine Schwester der Mutter Jesu genannt, was soviel als Verwandte derselben bezeichnet. Diese stand unter dem Kreuze Jesu und war nach seinem Tode um seinen hochheiligen Leib sehr besorgt. Ihr heiliger Leib ruht zu Verulis und leuchtete durch große Wunder. Somit war der heilige Judas von mütterlicher Seite und von Seite des heiligen Joseph mit Christus verwandt. Er wurde von seinen Eltern mit größter Sorgfalt zu einem frommen und unschuldsvollen Jüngling erzogen, der mit dem göttlichen Heiland in seiner Kindheit Umgang hatte. Und daher mag es wohl kommen, daß, während von den andern Aposteln manches Tadelnswerte erzählt wird, doch beim heiligen Judas Thaddäus und seinen Brüdern keine derartigen Erwähnungen zu finden sind. Die große Demut des Heiligen leuchtet besonders aus seinen Sendschreiben hervor. Weit entfernt, sich einen Anverwandten Christi zu nennen, was er doch war, nennt er sich einen Diener Jesu Christi. Er hatte einen großen Eifer für die Lehre Jesu Christi und für das Heil der Seelen. Er predigte unter unzähligen Leiden und Verfolgungen in Judäa, Samaria, Idumäa, besonders aber in Mesopotamien, wo er, wie erzählt wird, die wilden und unbändigen Völker, welche eine Natur wie Tiere hatten, zu bessern Sitten anleitete und sie dem Glauben des Herrn unterwarf. Nach dem heiligen Paulinus hat er sogar Afrika durchwandert. Unzählige Seelen habe er vom göttlichen Eifer entflammt, auf seinen vielen Wanderungen dem Heiland zugeführt und eine große Wundermacht besessen. Dadurch steigerte sich der Haß der Ungläubigen, und er fand den Martertod, indem er mit Keulen erschlagen wurde. Sein heiliger Leib wurde nach Rom gebracht, wo er in der Peterskirche verehrt wird; Papst Paul III. verlieh durch ein Breve vom 22. September 1548 allen einen vollkommenen Ablaß, welche an seinem Feste sein Grab besuchen. Dasselbe wird gefeiert am 28. Oktober.
Ein großer Helfer in schweren Anliegen
Von den frühesten Zeiten an hat der heilige Judas Thaddäus als der Nothelfer in ganz besonders verzweifelten Anliegen gegolten, und die tausendfache Erfahrung hat es gezeigt, daß Andachten um die Fürbitte des Heiligen eine ganz auffallend wunderbare Erhörung in solchen Anliegen gefunden haben, wo nach menschlichem Ermessen jede Hoffnung ausgeschlossen schien.
Wie in den Geschichten der heiligen Brigitta, von ihr selbst aufgezeichnet, uns mitgeteilt wird, hat der göttliche Heiland sie angewiesen, sich mit großem Vertrauen an den heiligen Judas Thaddäus zu wenden, und es scheint, schreibt ein Geistesmann dazu, daß der Heiland die Ehre dieses heiligen Apostels, welche unter dem gleichlautenden Namen des Verräters gelitten hat, dadurch wieder herstellen will, daß er denjenigen, welche in äußerster Bedrängnis schmachten, öfters nur dann Hilfe zu teil werden läßt, wenn sie sich an die Fürbitte des heiligen Judas Thaddäus wenden. Ja, diejenigen, welche die Ehre dieses heiligen Apostels angreifen, sind schon empfindlich gestraft worden. Eine Frau zog durch das Los den heiligen Judas Thaddäus; er gefiel ihr nicht, warf ihn weg, wonach ihr in der Nacht der heilige Apostel mit blitzstrahlendem Antlitz erschienen sei und zu ihr gesprochen habe: So bin ich dir denn zu gering und der verachtete Judas? Die Strafe folgte auf dem Fuß, sie wurde gichtbrüchig und ein ganzes Jahr ans Bett gefesselt. Der heilige Thaddäus hat einer frommen Frau geoffenbart, Gott habe es so angeordnet, daß er seinen Gnadenbeistand denjenigen verleihen wolle, welche in verzweifelter Not und Verlassenheit ihre Zuflucht zu ihm nehmen.
Ein kirchlicher Schriftsteller bezeugt, „daß unter den Verehrern des heiligen Judas wenige gefunden werden, welche nicht in ihren Krankheiten, in den schwersten Anfechtungen, in den tiefsten bösen Gewohnheiten, ja sogar in Verzweiflung, in Ängsten und Betrübnissen, Elend, Verleumdung, Armut und selbst in Umständen, wo überhaupt keine Hilfe mehr möglich schien, eben an diesem heiligen Apostel die augenscheinliche Hilfe gefunden haben.“ Ein leuchtendes Beispiel zur Verehrung dieses heiligen Apostels hat uns der große heilige Bernhard von Clairvaux gegeben, welcher in seinem ganzen Leben eine Reliquie dieses heiligen Apostels hochverehrte und beim Sterben anordnete, daß man ihm dieselbe nach dem Tode auf die Brust lege und mit ins Grab gebe, damit, wie er sagte, er auch im Tode nicht ganz ohne jenen sei, an welchem er in seinem Leben einen starken Beschützer seiner Reinigkeit und einen großen Helfer in allen Anliegen gefunden habe.
Zu Sankt Märgen, im badischen Schwarzwald, ist eine Wallfahrt, zum heiligen Judas Thaddäus, eine große Kapelle mit drei Altären, welche ihm geweiht ist. Zur Sommerszeit kommen viele Pilger von nah und fern, besonders von Freiburg her. Auch Priester kommen, um daselbst das heilige Meßopfer darzubringen, um dem heiligen Apostel zu danken, oder bei ihm Hilfe zu suchen. Bevor die Kapelle restauriert war, sah man viele Votivgeschenke an den Wänden. Unter den neueren Votivtafeln sieht man Priester und Volk dem Heiligen danken für seine Hilfe. Dieses soll alle Schwerheimgesuchten mit Vertrauen zu diesem heiligen Apostel erfüllen: denn das Wunderwirkende beim Gebet ist das Vertrauen, sagt die gottselige Katharina Emmerich. Man kann auch zu Ehren dieses heiligen Apostels Novenen halten, eine oder mehrere heilige Messen lesen lassen, zu seiner Ehre fasten und andere gute Werke tun, auch seine ihm geweihten Kirchen und Kapellen besuchen.
Ein guter Rat in schweren Anliegen
Denjenigen, welche zu diesem heiligen Apostel Zuflucht nehmen, wird es von unaussprechlichem Nutzen sein, wenn sie zu seiner Ehre ein rechtes Almosen geben oder sonst ein Werk der Barmherzigkeit verrichten. Denn nichts sichert uns so sehr die Hilfe Gottes und die Fürbitte der Heiligen als Werke der Barmherzigkeit. Was für große und wunderbare Gnaden erfleht nicht der heilige Antonius, wenn sie ihm Brot für die Armen versprechen; selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Mit dem Maße, mit dem ihr ausmesset, wird euch eingemessen werden. Die größte Wirksamkeit, um etwas von Gott zu erflehen, hat das Gebet, wenn ihm Werke der Barmherzigkeit zu Hilfe kommen, sagt der heilige Leo. Der heilige Gregor von Nazianz schreibt: „Die Barmherzigen haben den Schlüssel zu den Gnadenschätzen Gottes.“ Lèfre, ein frommer Priester, sagt: Es sind alle Gattungen von Menschen zu mir gekommen, in den verzweiflungsvollsten Lagen; oft haben alle Mittel fehl geschlagen, sie aufzurichten, bis ich Ihnen gesagt: „Übet Barmherzigkeit!“ Und wenn sie diese Mahnung befolgten, wurde ihnen geholfen. Den Barmherzigen hilft Gott in jeder Not. Diesen Lohn verheißt die Heilige Schrift bei Isaias: „Wenn du aufschließest dem Hungrigen dein Herz und eine bekümmerte Seele sättigest, so wird aufstrahlen in Fisnternis dein Licht und wird dein Dunkel dem Mittag gleich sein 8 Is. 58, 10); das heißt mit andern Worten: Wenn der barmherzige Mensch in Not und Drangsale gerät, so daß von keiner Seite ein Strahl des Lichtes oder der geringsten Hoffnung erscheint, dann wird er von Gott heimgesucht und getröstet, so daß die Finsternis seiner Drangsale plötzlich ins Licht des Glückes sich verwandelt und in hellen Mittag. Sehr oft sind unsere Leiden heilsame Strafen für unsere Sünden, wenn wir jedoch Gott durch Almosen versöhnen, so nimmt er diese Strafen hinweg oder lindert sie wenigstens.
Wohl kein Liebeswerk wird in der Heiligen Schrift mehr gepriesen und eindringlicher empfohlen als das Almosengeben. Das Almosengeben gehört zu jenen Werken, welche am besten geeignet sind, der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung zu leisten. Ein Engel vom Himmel sagte einstens, daß Almosen vom Tode rette, die Sünde tilge und uns Gnade bei Gott erwirke (Tob. 12,9). Der Heilige Geist bestätigt diesen Ausspruch des Engels, indem er spricht: „Das Almosen vernichtet die Sünden, wie das Wasser das Feuer löscht.“ (Eccl. 3, 32.) „Öffnet den Armen eure Hand, damit euer Sühnopfer vollkommen sei.“ Der heilige Petrus sagt, die Barmherzigkeit sei ein Vorhang, der über unsere Sünden gezogen wird. Der göttliche Heiland spricht im Evangelium: „Gebet Almosen, und siehe, alles ist rein für euch.“ (Luk. 11. 41.) Als der Prophet Daniel dem gottlosen König von Babylon die Strafgerichte verkündete, gab er ihm den Rat, seine Sünden durch Almosen und Werke der Barmherzigkeit zu büßen. Ein Geisteslehrer schreibt: „Wenn die Armen nicht wären, würden nicht so viele und schwere Sünden verziehen werden. Die Armen sind Ärzte für unsere Seelenwunden. Wir könnnen den Armen niemals so viel geben, als wir von ihnen empfangen, denn für das Stück Brot, das wir ihnen reichen, stellen sie uns eine Eintrittskarte für den Himmel aus.“ „Gib den Armen und empfange das Paradies“, sagt der heilige Methodius. Darum müssen wir die Armen lieben. Hören wir den heiligen Vinzenz von Paul: „Wer vermag die große Liebe des Sohnes Gottes zu den Armen zu ermessen! Er selbst wählte den Stand der Armut, er wollte der Vater der Armen sein und erklärte ausdrücklich, daß er alles, was man seinen Armen tun werde, so ansehe, als sei es ihm selbst getan. Es geziemt sich also, die Armen mit besonderer Liebe zu lieben, indem wir Christus in ihnen erblicken und sie so hoch achten, als Christus sie achtet.“
Wir sind alle Bettler vor Gott. Alles, was wir besitzen, ist ein Almosen, das wir von Gott empfangen haben, und glücklich sind wir, wenn uns Gott als seine Bettler anerkennt, denn dann bekommen wir mehr. „Damit aber Gott seine Bettler anerkennt“ sagt der heilige Augustin, müssen wir die unsrigen anerkennen, d. h. Werke der Barmherzigkeit üben.“ Eine der herrlichsten Vollkommenheiten Gottes ist seine unendliche Barmherzigkeit; wenn nun diese erhabene Tugend der Barmherzigkeit eine Seele schmückt, so wacht Gott über sie wie eine Mutter; er schickt ihr wenn es notwendig ist, Legionen seiner Engel zu Hilfe und gewährt ihr Gnade in Hülle und Fülle. Der unendlich barmherzige Gott liebt alle, welche er mit dem Mantel der Barmherzigkeit geschmückt sieht; in diesen erblickt er seine rechtmäßigen Kinder und Geschöpfe, die ihm ähnlich sind. Es ist etwas Großes und Herrliches, Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit ähnlich zu sein. Daher kommt es, daß barmherzige Menschen oft einen so guten Tod haben, auch wenn es große Sünder waren. Es ist eine von vielen Heiligen und Gelehrten ausgesprochene Erfahrung, daß Sünder, welche gern Almosen geben, nicht unbußfertig aus diesem Leben scheiden. Ein Heiliger sagt: „Nie habe ich einen barmherzigen Menschen mit einem bösen Tod endigen sehen.“ Viele würden vor Verzweiflung und Selbstmord bewahrt bleiben, wenn sie Werke der Barmherzigkeit verrichten würden. Der schon erwähnte Priester Lèfre forderte einmal in einer Abendpredigt den unglücklichsten seiner Zuhörer auf, ein Werk der Barmherzigkeit zu verrichten mit der Verheißung, Gott werde helfen; am andern Morgen kam ein großer Herr zu ihm und sprach: „Ich bin gestern Abend der Unglücklichste gewesen in Ihrer Predigt (dann zeigte er ihm den Strick, den erbei sich hatte, um seinem Leben ein Ende zu machen), ich folgte ihrem Rate und warf jene Geldrolle in den Teller der Armen, und ich fühlte mich wie umgewandelt; jetzt will ich aber beichten, dann werde ich wieder glücklich werden.“ O wie viele Reiche gibt es, die sehr unglücklich sind, trotz ihres Reichtums! Diese sollen reichlich Almosen geben, dann werden sie glücklich werden, aber keine Almosen, wo der Geiz daranhängt.
Die allerseligste Jungfrau, die ja so mächtig ist, kann die Unbarmherzigen nicht retten. Die heilige Brigitta flehte einmal zur Mutter Gottes sehr anhaltend für einen sterbenden Sünder, aber er ging verloren; da fragte sie die seligste Jungfrau, warum sie diese Seele nicht gerett habe, und erhielt zurAntwort: „Ich habe in ihrem Leben nichts gefunden, das ich hätte Gott darbringen können.“ Legen wir die Werke der Barmherigkeit in die Hände Mariens, und sie wird uns die wunderbasten Gnaden erflehen. Wer Barmherzigkeit säet, erntet Wunder. Man gebe sich Mühe, daß sterbende Sünder ein Werk der Barmherzigkeit zu Ehren Mariä verrichten, und wunderbarste Bekehrung kann oft stattfinden. Unzählige Seelen würden so noch gertettet werden. Am letzten Gerichtstage wird der Heiland die Barmherzigen gnädig richten. Er sagte einmal zur heiligen Katharina von Siena, dort werde er kein Werk der Barmherzigkeit verborgen halten. Ein Gericht ohne Barmherzigkeit wird über den ergehen, der keine Barmherzigkeit geübt hat. Wie die Heiligen lehrten, ist sie die große Befreierin der Seelen von der Hölle. Ganz besonders ist das Missionsalmosen zu emfehlen und Gott sehr wohlgefällig, weil es die Rettung der Seelen in sich schließt. Papst Leo XIII. hat sehr zu diesem Almosen aufgefordert. Mit Vorliebe sollen wir jenen Missionshäusern zu Hilfe kommen, welche Jünglinge zu Priestern und Missionären heranbilden. Kardinal Manning sagt: Unter allen Gott dem Herrn wohlgefälligen Werken ist das beste die Erziehung und Bildung eines Priesters, dieses göttlichen Instrumentes für eine Menge von Seelen.“ Auch lehrt es die Erfahrung, welch‘ große Gnaden Gott denen gewährt, welche den armen Seelen zu Hilfe kommen. Die seligste Jungfrau selbst hat in einer Erscheinung dem Pater Alphons von Corteste den Rat erteilt, in schweren Versuchungen den Armen Seelen zu Hilfe zu kommen, um frei zu werden. Zeitliches und ewiges Glück ist in unsere Hände gelegt, wenn wir barmherzig sind.