Fiducia supplicans lässt die „Möglichkeit der Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren [zu], deren Form von den kirchlichen Autoritäten nicht rituell festgelegt werden darf, um keine Verwechslung mit dem dem Ehesakrament eigenen Segen hervorzurufen“ (Nr. 31).*
Als Hinweis auf diesen vermeintlichen Unterschied wird im Text erklärt: „In jedem Fall (…) wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden können. Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind“ (Nr. 39). Die Segnung muss spontan erbeten werden, „sei es auf Wallfahrten, an Wallfahrtsorten oder sogar auf der Straße, wenn sie einem Priester begegnen“ (Nr. 28).
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Es fügte sich, dass die Kongregation für die Glaubenslehre, die damals vom spanischen Kardinal Luis Ladaria geleitet wurde, solche Segnungen als Reaktion auf folgendes Dubium („Zweifel“) eines Bischofs im März 2021 entschieden verurteilt hatte: „Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?“ Im Responsum (Antwortschreiben) wurde nachdrücklich festgestellt: „Nein. (…) Um der Natur der Sakramentalien zu entsprechen, ist es (…) erforderlich, dass, wenn über einige menschliche Beziehungen ein Segen herabgerufen wird, abgesehen von der rechten Absicht derjenigen, die daran teilnehmen, da die zu segnende Wirklichkeit objektiv und positiv darauf hingeordnet ist, die Gnade zu empfangen und auszudrücken, und zwar im Dienst der Pläne Gottes, die in die Schöpfung eingeschrieben und von Christus dem Herrn vollständig offenbart sind.“*
„Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist“, schlussfolgert das Responsum. Es ist auch bemerkenswert, dass die offizielle Pressemitteilung folgenden letzten Absatz enthält: „Papst Franziskus wurde in der dem unterzeichnenden Sekretär dieser Kongregation gewährten Audienz über das vorliegende Responsum ad dubium samt der Erläuternden Note informiert und hat ihre Veröffentlichung gutgeheißen.“
Wie ist es möglich, dass der Präfekt desselben Dikasteriums nur zweieinhalb Jahre später mit der Unterschrift von Papst Franziskus genau das Gegenteil sagt?
Vier Irrtümer bzw. Trugschlüsse zur Rechtfertigung der Segnung einer sündhaften Beziehung
Während er ausdrücklich anerkennt, dass die traditionelle Lehre nur Segnungen von „Dingen, Orten oder Umständen zulässt, die nicht dem Gesetz oder dem Geist des Evangeliums widersprechen“ (Nr. 10, unter Berufung auf das Rituale Romanum), verwendet Kardinal Víctor Fernández in Fiducia supplicans vier trügerische Ausflüchte, um das vorangegangene Responsum zu umgehen.
Erstens behauptet er, Papst Franziskus habe den theologisch-pastoralen Segensbegriff erweitert und eine neue Kategorie namens „pastoraler Segen“ geschaffen, der anders als der „liturgische Segen“ keine „vorausgehende moralische Vollkommenheit“ der Person erfordere, die ihn erbittet. Der Trugschluss liegt in der stillschweigenden Unterstellung, der traditionelle „liturgische Segen“ setze eine solche Vollkommenheit voraus, während die Kirche hierfür in Wirklichkeit weder dies und noch nicht einmal den Gnadenstand verlangt hat. Am Ende der Messe zum Beispiel segnet der Priester alle Anwesenden, von denen sich einige durchaus in Todsünde befinden können. Darüber hinaus fallen Segnungen in die theologische Kategorie der Sakramentalien. Alle Abhandlungen zur die Moraltheologie lehren, dass Sakramentalien wie Asche oder Weihwasser auch Nichtkatholiken gespendet werden können, wenn sie mit guter Gesinnung darum bitten.
Zweitens wird in Fiducia supplicans behauptet, dass die Segnung von außerehelich zusammenlebenden, ehebrecherischen und homosexuellen Paaren keine Segnung sündhafter Beziehungen wäre, weil sie „in der Tat nichts legitimiert, sondern vielmehr das eigene Leben für Gott geöffnet werden [soll]“ (Nr. 40). Der Irrtum liegt darin, das Paar von der [sündhaften] Beziehung unterscheiden zu wollen, während das, was sie zu einem Pseudopaar macht, gerade das ist, was sie verbindet – nämlich ihre [sündige] Lebensgemeinschaft. Noch deutlicher wird dies in der dritten Täuschung, in der ihre „Beziehung“ ausdrücklich erwähnt wird.
Drittens unterstellt das Dokument, dass das außerehelich zusammenlebende, ehebrecherische oder homosexuelle Paar ja nur darum bittet, dass die „positiven“ Aspekte ihrer Verbindung gesegnet werden. Es bezieht sich auf Personen, die „nicht die Legitimation ihres eigenen Status beanspruchen, sondern darum bitten, dass alles, was in ihrem Leben und ihren Beziehungen wahr, gut und menschlich gültig ist, durch die Gegenwart des Heiligen Geistes bereichert, geheilt und erhöht wird“ (Nr. 31). Die Täuschung besteht hier darin, dass man vorgibt, in einer Beziehung, die den Anspruch erhebt, ehelich zu sein, die verschiedenen Aspekte der Lebensgemeinschaft – einige davon positiv und andere negativ – wasserdicht voneinander abschotten zu können. In Wirklichkeit tragen selbst die Aspekte, die manche als positiv ansehen (z. B. Zuneigung, Treue und gegenseitige Unterstützung), dazu bei, die sündhafte Beziehung aufrechtzuerhalten sowie die Bekehrung und die Auflösung der sündigen Verbindung zu verhindern. Je „positiver“ solche Aspekte erscheinen, desto mehr stellen sie nächste Gelegenheiten zur Sünde dar, wenn nicht sogar die eigentliche Grundlage für die Struktur der Sünde, in der die beiden Individuen gefangen sind.
Der vierte Irrtum besteht darin, das pastorale Handeln der Kirche von ihrer Lehre trennen zu wollen, als würden sie zwei unabhängigen und sich widersprechenden Logiken gehorchen: „Die Kirche muss sich im Übrigen davor hüten, ihre pastorale Praxis auf die Festigkeit ‚vermeintlicher doktrineller oder disziplinarischer Sicherheit‘ zu stützen“ (Nr. 25). „Die barmherzige Umarmung Gottes und das Muttersein der Kirche“ (Nr. 19) sollten also in den Blick nehmen, dass „wir (…) für Gott wichtiger [sind] als alle Sünden, die wir begehen können“ (Nr. 27). Diese Missachtung des Übels der Sünde und ihrer Folgen – die das ewige Feuer der Hölle sein können! – wirft die Frage auf: Warum ist Jesus am Kreuz gestorben, um uns zu erlösen? Warum hat er zu der ehebrecherischen Frau gesagt: „Geh hin und sündige von nun an nicht mehr“ (Joh 8,11)?
Das letzte Täuschungsmanöver besteht darin, so zu tun, als ob die Priester, von denen solche „seelsorgerischen Segnungen“ erbeten werden, die bei ihren konkreten Anwendungen auferlegten Einschränkungen respektieren würden. Der offenkundigste Fall von Missachtung ereignete sich in der Diözese Maldonado in Uruguay, wo zwei prominente Fernsehstars den Segen des Generalvikars der Diözese während einer Party mit vierhundert Gästen erhielten, nachdem sie ihre zivile „Hochzeit“ gefeiert hatten. Die Anwendung des vatikanischen Dokuments Fiducia supplicans war umso skandalöser, als die Einzelheiten zwischen den Segensempfängern und dem Ortsbischof vereinbart wurden, nachdem dieser die Zustimmung des apostolischen Nuntius eingeholt hatte.*
Aus all diesen Gründen stellt Fiducia supplicans einen Bruch mit der traditionellen Lehre der Kirche zum Sechsten Gebot, zum inhärent sündigen Charakter jeglichen Gebrauchs der sexuellen Fähigkeiten außerhalb der Ehe, dar. Das Dokument repräsentiert zudem den Skandal, den nichteheliche Lebensgemeinschaften, ehebrecherische und homosexuelle Beziehungen und Partnerschaften für die Gläubigen und die Gesellschaft bedeuten.
Fußnoten:
- Dikasterium für die Glaubenslehre (Víctor Manuel Kardinal Fernández / Armando Matteo): Erklärung Fiducia supplicans über die pastorale Sinngebung von Segnungen, Ex Audientia Die, 18. Dezember 2023, Franziskus, https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_ddf_doc_20231218_fiducia-supplicans_ge.html
- Kongregation für die Glaubenslehre (Luís F. Kardinal Ladaria SJ / Giacomo Morandi): Responsum ad dubium der Kongregation für die Glaubenslehre über die Segnung von Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts, Rom, 22. Februar 2021, dem Fest der Kathedra Petri, https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20210222_responsum-dubium-unioni_ge.html
- siehe: Villar, Julieta: Obispo aclara cómo se realizó la bendición a dos personas homosexuales en Uruguay [Bischof erklärt, wie die Segnung zweier Homosexueller in Uruguay ablief], in: ACI Prensa, 22. Februar 2024, https://www.aciprensa.com/noticias/103286/uruguay-obispo-aclara-como-se-realizo-la-bendicion-de-carlos-perciavalle-y-su-pareja-gay
Quelle: Der Dammbruch Die Kapitulation von Fiducia Supplicans vor der Homosexuellen-Bewegung. Seite 23-30
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